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Alt 24.02.2009, 19:39   #1
bluedog
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Standard Runderneuerte Reifen: Ein Erfahrungsbericht

Hallo Leute

Ich freu mich ja immer wie ein kleines Kind, wenn ich meinem Auto mal wieder etwas gutes tun konnte. Kommt ja selten genug vor.

Nun ist es ja so, dass mein Budget arg beschränkt ist, ich also zusehen muss, dass ich sparen kann, wo immer es geht. Trotzdem gehts nicht ohne Auto, bzw. ich könnte wohl ohne Auto überleben, mehr wär das dann aber auch nicht.

Nun stellte sich die Frage, woher ich günstige und trotzdem möglichst gute Winterreifen nehme, da diejenigen auf der Vorderachse schon recht wenig Profil hatten, und ausserdem die Dinger auch schon so alt wie das Auto waren, also nicht mehr wirklich winteradäquaten Grip lieferten.

Und zumindest vorne musste allein schon aus Verschleissgründen Ersatz her.

Ich hab mich also bei Ricardo, in der Bucht und anderswo umgesehen nach Winterreifen, die weder zu alt noch zu teuer sind. Das heisst also nach möglichst billigen, aber nicht überalterten Reifen.

Offensichtlich ist es aber so, dass die meisten Leute Reifen nur nach der Profiltiefe beurteilen.

Gebrauchte Reifen sind mir einerseits aus Altersgründen suspekt, aber auch weil ich ja dann nicht wissen kann, wie damit Umgegangen wurde. Fragen wie:

Wurden die Reifen jede Saison von den Felgen genommen und dann wieder montiert, so dass sie möglicherweise Luft verlieren?

Wie wurden sie gelagert?

Sind sie noch so gut, wie sie aussehen?

müssen also im Dunkel der Geschichte bleiben.

Dazu kann man ja mit blossem Auge nicht erkennen, ob der Aufbau des Reifens noch intakt ist.

Ich hatte schon letzten Frühling gebrauchte Markenreifen günstig eingekauft. Allerdings waren die nach DOT älter als das, was ich davor fuhr. Aber es sind ja Sommerreifen, und der Grip war immerhin noch gut genug, um besser als die Vorgänger zu sein. Ich hab also doch was gewonnen dabei. Allerdings hätte ich für das selbe Geld auch billigste Neureifen montieren können. Also wurde ich vorsichtig in Sachen Gebrauchtreifen. Auch wenn meine Sommerreifen wirklich neuwertiges Profil und genug Grip hatten, auch wenns einen davon nicht vom Hocker reisst, und auch von den Fahreigenschaften einen guten Job machen, so merkt man doch dass sie schon Jahre aufm Buckel haben. Nun denn, besser als ein billigst-Reifen sind die allemal. Aber laut. Dass der Abrieb gross ist, stört bei meiner Jahresfahrleistung und angesichts des Reifenalters nicht.

Nun also waren die (fünf Jahre alten) Winterreifen zum Ersatz fällig.

Die Wahl fiel nicht auf Billigst-Winterreifen, sondern auf runderneuerte Winterreifen. Ich hatte mich mit dem Thema ein wenig befasst, und einiges dazu gelesen.

So weiss ich, dass nicht beliebige Karkassen runderneuert werden, sondern nur solche von Premium-Marken. Weiterhin versichern alle Hersteller, dass sie die Karkassen sehr streng auf Schäden kontrollieren. Ist auch logisch, denn ich gehe davon aus, die wollen keine enttäuschten Kunden.
Weiter habe ich erfahren, dass es umweltfreundlicher ist, runderneuerte Reifen zu fahren, da Altreifen entweder Deponiert werden, oder als sogenannter Ersatzbrennstoff in Zementwerken oder KVA's verbrannt werden. Also: Luftverschmutzung, und im Fall der Deponie auch noch Sondermüll, den niemand haben will. Zudem braucht man etwa 70% weniger Gummi für die Herstellung runderneuerter Reifen, als wenn man den ganzen Reifen neu herstellen müsste.

Billiger sind die runderneuerten Socken auch noch.

Dafür liessen die Beurteilungen des Produkts im liefernden Internet-Shop schlimmes ahnen.

Die meisten bezogen sich aber auf komplett andere Reifendimensionen.
Da ich jedoch auch andere Reifenfabrikate (keine runderneuerten) besser beurteilt hätte, als viele der dort gelisteten Fahrer, dachte ich mir, dass halb so heiss gegessen wie gekocht wird, bzw. dass das geringe Gewicht des Cuore wohl ein riesen Vorteil sein muss.

Ach weiss ich aus meinen Recherchen, und aus eigener Beobachtung, dass viele LKW mit runderneuerten Reifen fahren, und dass LKW-Reifen je nach dem etwa zwei- bis dreimal runderneuert werden können. Flugzeugreifen werden sogar bis zu sechsmal (sic!) erneuert, ehe sie entsorgt werden.

Natürlich ist mir klar, dass LKW- und Flugzeugreifen in keiner Weise mit PKW-Reifen zu vergleichen sind. Allerdings werden PKW-Reifen auch höchstens einmal erneuert. Ich schloss also daraus, dass die verwendete Methode doch recht sicher sein muss, denn sowohl bei LKW wie bei Flugzeugen wirken Kräfte, wie sie mein Cuore wohl nie zu Stande bringt, ganz abgesehen von der Laufleistung, die LKW und Flugzeuge erreichen.

Trotz negativer Bewertungen, auch von Seiten eines Automechs, der nach Jahren wegen scheinbar massiven Problemen aufgehört hatte, runderneuerte Reifen zu verkaufen, wollte ich es einfach wissen. Einerseits, weil wohl meine Ansprüche an Reifen ziehmlich bescheiden sind, andererseits aber auch, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass es immernoch Hersteller runderneuerter PKW-Reifen gäbe, wären diese Reifen so grottenschlecht, wie gehört, wollte ich, auch aus finanziellen Gründen, runderneuerte Reifen selber testen.

Ich bestellte mir also im Internet zwei runderneuerte Reifen des Typs Winter Tact WT 80, Dimensionen: 155/65 R13 73T. Exakt die selben Daten weisen auch die alten Vorgängerreifen auf. Sind also bis 190km/h freigegeben.

Die wurden nun gestern, Rosenmontag (CH: Güdismäntig oder verhochdeutscht: Güdismontag), den 23.02.2009, bei einem Kilometerstand von knapp 90'500, montiert.

Optischer Eindruck:
Merkwürdiges Profil mit groben, hohen, vielfach unterteilten Blöcken, zwei nicht ganz gerade Längsrillen gegen Aquaplaning. Wuchtgewichte sehr viel grösser, als an den hinteren Rädern mit normalen Reifen. Die Reifen tragen DOT 3408, sind ordnungsgemäss mit "R" und "Retreat" als runderneuerte Reifen gekennzeichnet, und man sieht wider Erwarten keinen Rand und keine andere Färbung, da wo (mutmasslich) Karkasse und neue Lauffläche aufeinandertreffen. Diesen Rand hatte ich fest erwartet, da ich einen solchen bei den Reifen eines Stadtbusses gesehen hatte, und man den auch bei manchen LKW-Reifen, die dann offensichtlich runderneuert wurden, sehen kann.
Auf den Reifenflanken muss früher statt Winter Tact WT 80 mal sowas wie Winter Contact WT 80 (oder so ähnlich) gestanden haben, denn die fehlenden drei Buchstaben sind ausgegossen, und sind nun zu flachen Gummiblöckchen geworden. (Wer weiss welcher Hersteller so eine Bezeichnung mal verwendete?)
Maximaldruck steht keiner auf den Reifenflanken.

Haptik:
Sichtbare Gussnippel auf den Profilblöcken der Laufflächen wie auch an den Seitenwänden. Die recyclierte Karkasse wurde also auch seitlich mit neuem Gummi "übergossen". Kein Übergang von altem zu neuem Gummi zu erfühlen.
Das Gummi ist recht weich, so dass ich zumindest in Sachen Grip keine Unbill fürchtete.

Erster Fahreindruck: Reifendruck ist mit 2.5Bar nicht zu hoch gewählt. Hinten in Dayton Winter DW 500: 2.3Bar. Der Wagen fährt sich gut, und bei Stadttempi bis 60km/h auch nicht laut. Allerdings lässt (erwartungsgemäss) die Bodenhaftung auf den nagelneuen Reifen zu wünschen übrig. Klar, denn die Gussnippel sind im Weg, und die ganz Äusserste Schicht greift bei neu- wie Gebrauchtreifen erfahrungsgemäss immer schlecht. Also ganz sorgfältig fahren, denn der Bremsweg ist laaang.

Nach einer kurzen Tour durch die Stadt, um verschiedene Dinge zu erledigen, und gut zwei km Fahrt mit 80km/h wobei sich herausstellt, dass die neuen Reifen rund und bei den bisher gefahrenen Geschwindigkeiten auch (für Winterreifen) überraschend ruhig laufen, gehts ab auf die Autobahn. Schon im Stadtverkehr fiel mir der zumindest gefühlt höhere Rollwiderstand auf. Der Motor muss fühlbar mehr leisten, die Automatik schaltet häufiger... Wenns auf Dauer so bleibt eher unerfreulich, bei Neureifen aber auf den ersten paar hundert bis paar tausend km normal. Soweit ich das bisher erlebt habe zumindest. Die Reifen fühlen sich aber träger an. Geschwindigkeitsänderungen verlangen merklich mehr Power. Obs an den grossen Wuchtgewichten liegt? Naja, für den Preis könnt ich damit leben. Man gewöhnt sich schnell daran.

Die Autobahnfahrt (bis Tacho 125km/h, wie immer bei 120er-Limit) ging gut. Überraschend gut, und auch nicht lauter als mit den gebrauchten Sommerpneu, wenn es auch sicher leisere Pneu gibt. Aber Komfort ist mir egal, das Fahrgefühl jedenfalls ist sicher, und die Reifen laufen rund. Bodenhaftung bereits ein wenig besser, aber eine Sichtkontrolle auf einem Parkplatz ergibt, dass die Gussnippel auf der Lauffläche noch vorhanden sind. Also vorsichtig, aber nicht langsam weiter. Ich will ja wissen, was die Reifen können. Mit reichlich Abstand zum Vordermann fühle ich mich sicher. Auch heftigere Lenkbewegungen lassen trotz regennasser Fahrbahn keine Führungsschwäche erkennen. Ich bin zufrieden.

Nach knapp zwei Stunden Fahrt zu Hause angekommen, und anschliessend nach noch einigen kurzen Fahrten, stelle ich den Wagen mit den runderneuerten Reifen zufrieden ab.

Am nächsten Morgen freu ich mich wie ein Kind auf die Kurze Fahrt zum Postfach. Eine Sichtkontrolle zeigt, dass nun die meisten Gussnippel auf der Lauffläche weg sind. Die Bodenhaftung ist einiges besser als mit den alten Reifen. Sogar auf Schnee halten die Reifen gut. Zufriedenheit.

Wenn das so weitergeht, sind die Reifen ein voller Erfolg. Bin gespannt, wie lange die halten, und habe mir vorgenommen, den Reifendruck gut im Auge zu behalten. Ich denke, der ist bei runderneuerten Reifen noch wichtiger für einen sicheren Fahrbetrieb, als bei ganz neuen Reifen...

Die Hinteren Reifen sind spätestens nächsten Herbst definitiv auch fällig, denn dann sind die runde sechs Jahre alt, und das Profil ist jetzt schon grenzwertig. Jedoch: Hinten kauf Verschleiss vorhanden. Also noch fahrbar. Kann mir eh nur das allernötigste fürs Auto leisten. Sollten die runderneuerten sich bewähren, so werden hinten gleiche montiert werden. Schon aus Umweltgründen, aber auch weil eh nichts anderes drin ist.

Somit hat sich das einzige in passenden Dimensionen verfügbare Fabrikat an runderneuerten Reifen (übrigens made in Germany) bisher als viel besser als erwartet erwiesen, und ich bin somit zufrieden.

Das wars dann erstmal. Bin ja gespannt, was Ihr, geschätzte Forumsfreunde, dazu zu sagen habt. Ich plane weiter zu berichten.
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Cuore L251 Bj 7/2003, Automatik: Ausrangiert, leider!

Citroen C1 Automatik BJ 2011:

Mofa: Dreirad auf Basis eines Amsler-Pony, Verbrauch Zweitaktgemisch: <3.5l/100km.

Das grosse Artensterben auf dieser Welt wird den Menschen erst bewusst werden, wenn schliesslich auch der Tiger im Tank ausstirbt.
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