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Zitat von fundive
Erzähl mir nicht, daß hier ESP nicht geholfen hätte. Und erzähl mir auch nicht, daß das jeder Fahrer abfangen kann. Ich bitte Dich mal dringend, ein Fahrsicherheitstraining zu besuchen, da merkst Du recht schnell, daß in solchen Situationen ein normaler Fahrer in aller Regel überfordert ist.
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Mir persönlich ist es egal, ob ich ESP mal brauchen könnte oder nicht. Ich weiss, ich bin kein besonders guter Autofahrer, und ich habe nie behauptet, das zu sein. Ich habe auch nie behauptet, mein Auto in jeder denkbaren Situation sicher zu beherrschen. Ich habe lediglich behauptet, so zu fahren und fahren zu können, dass ich mit dem Restrisiko leben kann.
Dieses Restrisiko kenn ich, und es hindert mich nicht daran, bei Bedarf ins Auto zu steigen, auch wenn dieses kein ESP hat. Und es sorgt auch nicht für ein schlechtes Gewissen, weil ich ein Auto ohne ESP gekauft habe.
Dieses Restrisiko ändert ebensowenig an meiner finanziellen Situation, die mich dazu zwingt, Prioritäten zu setzen, die nun mal nicht beim ESP oder zwei Airbags mehr oder weniger liegen KÖNNEN. Dieses Restrisiko kenne ich, und ich akzeptiere es, und das nicht nur weils nicht anders geht. Ich akzeptiere es auch, weil ich mit der Art, wie man heutzutage über Gefahren denkt nicht einverstanden bin. Mir will nicht in den Kopf, warum man ohne mit der Wimper zu zucken AKW's überhaupt eine Betriebsgenehmigung erteilen kann, auch wenn man zwischenzeitlich sicherere Energiequellen kennt und nutzen könnte, aber dann beim Auto tatsächlich auf die Barrikaden steigt, wenn ein Airbag zu wenig da ist oder ESP fehlt, oder ein Auto im NCAP einen Stern weniger als das Maximum erreicht! Wenn ein Autounfall passiert betrifft das im Durchschnitt schätzungsweise zwischen 1 (bei Selbstunfall) und 3 Leute (zwei Fahrzeuge à je 1.5 Insassen). Massenkarambolagen mal ausgenommen. Geht ein AKW in die Luft, oder platzt auch nur das falsche Rohr, dann sind hunderttausende des Todes und sehen einem qualvollen Ende entgegen, und riesige Flächen sind auf die nächsten zig hunderttausenden von Jahren unbewohnbar für jegliches Leben.
Siehst du das ein?
Zudem bin ich gehbehindert, sehe also Unfallfolgen bei überlebenden einiges kritischer als man das gemeinhin tut (auch wenn meine Behinderung kein Unfallschaden ist). Ich würde auch ein Auto völlig ohne Airbags und Sicherheitsgurte ruhigen Gewissens fahren, wenn das erlaubt wäre. Ich hätte sogar weniger Angst vor Unfällen als jetzt. Ich erkläre warum:
Bei einem Unfall ohne Airbag und von mir aus auch ohne Gurte sind die Überlebenschancen sehr viel geringer. Ich muss mir also sehr viel weniger Sorgen machen, schwerstgeschädigt zu überleben, und für den Rest meines Lebens auf die Hilfe anderer angewiesen zu sein. Ich kann mich vielmehr gleich mit dem Gedanken vertraut machen, dass es mir so ähnlich geht wie dem Passagier eines Verkehrsflugzeug, dass also, wenn ein nennenswerter Unfall passiert, ich höchstwahrscheinlich dabei umkommen würde. Ich brauche mir also gar nicht erst ausmalen, was eine höhere Überlebenschance konkret bedeutet. Nämlich, dass ich natürlich mit Glück so gut wie Unverletzt überleben kann. Aber genauso gut eben auch, dass ich pech hab, überlebe, vielleicht im Rollstuhl, vielleicht im Elektrorollstuhl lande, vielleicht aber auch ohne einen Arm oder ein Bein mein weiteres Leben bestreiten muss, oder dass ich vielleicht einen Hirnschaden davontrage, und im Heim lande, oder auch mit etwas mehr pech gleich den Rest meines Lebens am Beatmungsgerät im Bett liegend verbringen könnte.
All diese Optionen sind für mich persönlich schlimmer als der Tod, zumal ich, wenn ich am Steuer meines Wagens stürbe, in Ausübung meiner Lieblingsbeschäftigung gestorben sein würde, was meiner Meinung nach kein allzu übler Tod ist, wenn ich ihn mit einer Reihe altersbedingter Krankheiten und deren lethalem Ende vergleiche.
Kommt noch dazu, dass ich mir dann keine Gedanken mehr darüber machen bräuchte, ob ich dereinst (in meinem Fall sicher stark pflegebedürftig) von der Rente werde leben können, die ich nach meiner Pensionierung erhalten würde.
Man braucht diese meine Ansicht nicht zu teilen. Ich will nur aufzeigen, dass ein Verkehrstoter weniger in der Statistik eben nicht immer so gut ist, wie es sich liest, und dass es eben nicht a priori gut sein muss, das mitunter recht zweifelhafte Glück zu haben, einen Unfall zu überleben.
Die Ansicht, dass jeder Tote weniger ein Sieg ist, entstammt, wenn man mich fragt, nicht einer lebensbejahenden Optik eines lebensfrohen Durchschnittsmenschen, sondern ist der Logik des Hypokratischen Eides entlehnt, welchem Ärzte mit vollem Recht verpflichtet sind. DIE müssen sich ja auch keine Gedanken darum machen, was NACH dem blossen Überleben kommt. Ganz im Gegensatz zu jedem einzelnen Überlebenden.
Kommt jetzt aber bitte nicht auf die Idee, ich sei Lebensmüde, oder auch nur darauf, eine Debatte über wertes und unwertes Leben draus zu machen.
Ich bin durchaus lebensfroh, und sicher nicht lebensmüde. Ich will auch anderer Leute Leben nicht beurteilen. Ich will bloss nicht ums Verrecken so lange wie möglich leben. Mir persönlich reicht es vollauf, solange leben zu dürfen, wie ich noch in der Lage bin, mein Leben zu geniessen. Ich gehe aber gerade aus diesem Grund ohnehin unvermeidbare Risiken mit Freuden ein, statt mir den Kopf drüber zu zerbrechen, wie ich diese Risiken, die man ohnehin nie ganz ausschalten kann, noch weiter minimieren kann. Macht einfach in meinen Augen keinen Sinn, wenn ich mir dann dafür graue Haare wachsen lassen muss über die Frage, wovon ich als alter Knochen dereinst leben soll, und ob dann auch genügend Pflegepersonal für mich da sein wird...