Hallo,
mir wäre nicht bekannt, wo und unter welchen Versuchsbedingungen die Geschwindigkeit der Flammenfront gemessen wird. In meiner Laufbahn als Erdölverarbeiter habe ich nur Flammpunkt, Stockpunkt, Siedeverlauf, Dichte etc. etc. gemessen und natürlich die Klopfneigung im Prüfmotor nach ROZ, MOZ, und was es alles gibt.
Alle Treibstoffe entwickeln im stöchiometrischen Gemisch letzlich stabile Detonationen, d.h., nach der Zündung gibt es am Zündort erst eine Verpuffung (wie in unseren Motoren), die aber in der Geschwindigkeit und dem Druckanstieg rasch zunimmt, bis sie die Deflagration erreicht und dann in eine stabile Detonation überführt wird.
Bei der PTB haben wir diesen Versuchen beiwohnen dürfen. Nur mal vorab: es knallt schon heftig in den Versuchsaufbauten. Die Kohlenwasserstoffe werden mit Luft stöchiometrisch gemischt und dann in eigens dafür aufgebauten, langen Rohren zur Entzündung gebracht. Dabei setzt gleich nach der Zündung die Flammfrontbeschleunigung ein, sodaß es eigentlich nicht möglich ist, die Startgeschwindigkeit zu messen. Vielleicht frag ich die Doktoren nochmal danach. Für die Versuche, die wir gemacht haben, war die Startgeschwindigkeit weniger interessant.
Ein paar Zahlenwerte:
Die Geschwindigkeit der Flammenfront steigt in den ersten paar Metern auf ca. 3000 m/s, um dann auf ca. 2000 m/s wieder abzufallen. Es handelt sich dann um eine stabile Detonation. In der Deflagrationsphase, also vor der stabilen Detonation, ist die Geschichte am gefährlichsten. Es lassen sich kaum Geräte herstellen, die diese Flammfront aufhalten.
Die Druckspitzen einer Detonation betragen bis zu 300 bar - und das bei druckloser Zündung. Bei solchen Versuchen sind Deckel, also Blindflansche schon kreisrund rausgeschossen worden ==> saubere Arbeit
Wenn unter Druck eine Verbrennung abläuft, deren Gemisch durch die Verdichtung schon vorgeheizt ist, werden alle diese Werte noch wesentlich brisanter. Allein die Vorverdichtung von ca. 10 bar erlaubt schon, alle Druckwerte mal 10 zu nehmen. Die Vorheizung des Gemisches läßt die Abbrandgeschwindigkeiten ebenfalls rasant ansteigen. Dazu kommt noch der wichtigste Faktor, nämlich die Verwirbelung des Gemisches. Ich denke, man kann sagen, daß eine Stoffkonstante, wie auch immer gemessen, im Motor selbst rel. wenig aussagt. Sowas muß man wirklich ausprobieren und den Motor danach einstellen. Selbst bei den Motorenentwicklern passiert es immer wieder mal, daß ein Motor zu klopfen anfängt, wo man es noch nicht erwartet hatte.
Die PTB in Braunschweig hat auch alle möglichen Benzine mal getestet, ist aber von den Versuchen bald runter gegangen, weil die Streuungen wenig aussagekräftig waren. Für Versuchsapparaturen wird daher mit Propan geprüft, erst gemischt und dann eine gewisse Zeit stehen lassen. So findet jedes Molekül auf Anhieb seinen Reaktionspartner. Im Verbrennungsmotor dagegen ist für solchen Dinge keine Zeit. Da entscheiden tausendstel Sekunden über Vermischungsgrad etc.
Sprengstoffe werden auch mit einer Abbrandgeschwindigkeit gekennzeichnet. Sie verhalten sich als Feststoffe aber ganz anders als Gase mit ihrer Kompressibilität. Man mißt den Abbrand mit Hilfe von Zündschnüren, die den jeweiligen Sprengstoff enthalten. Mir sind im Moment Werte im Kopf von ca. 7000 m/s. Wer 7200 m/s überschreitet, hat seinen Job gut gemacht. Ich bin aber kein Experte für solche Dinge - sag ich gleich dazu.
Fazit: es gibt keine Möglichkeiten, aufgrund der Abbrandgeschwindigkeiten zwischen SUPER und NORMAL im Labor zu unterscheiden. Schön wärs, denn dann bräuchte man keine Prüfmotoren. Durchaus möglich, daß beide in der Anfangsphase mit 25 m/s zu brennen beginnen. Da selbst mit Prüfmotoren die Übertragbarkeit auf reale Maschinen unmöglich ist, muß jeder Hersteller seine Maschine entsprechend selbst ausprobieren und ist gut beraten, wenn er dazu nicht nur eine Treibstoffmarke heranzieht.
Gruß
Werner Schulte